Verzeihung
Verzeihung
Verzeihung
Eine Verzeihung im Scheidungsrecht liegt vor, wenn der verletzte Ehegatte durch sein Verhalten deutlich macht, dass er das frühere Fehlverhalten des anderen nicht länger als schwerwiegend betrachtet und die eheliche Gemeinschaft vorbehaltlos fortsetzen möchte. Durch dieses Verhalten verliert die betreffende Eheverfehlung ihre rechtliche Bedeutung und kann später nicht mehr als Scheidungsgrund herangezogen werden.
Bedeutung der Verzeihung im Scheidungsrecht
Im österreichischen Scheidungsrecht kommt der Verzeihung eine wesentliche Bedeutung zu, insbesondere bei Scheidungen aus Verschulden. Sie bewirkt, dass eine bereits begangene Eheverfehlung, etwa ein Ehebruch oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung, keine rechtlichen Folgen mehr hat. Wer verzeiht, bringt damit zum Ausdruck, dass die Ehe trotz des Fehlverhaltens fortgeführt werden soll und der Vorfall nicht länger als ehezerstörend gilt.
Voraussetzungen einer wirksamen Verzeihung
Eine Verzeihung setzt voraus, dass der verletzte Ehegatte die Verfehlung vollständig erkannt und innerlich überwunden hat.
Nur wer über die notwendigen Entscheidungsfähigkeiten verfügt und das Fehlverhalten kennt, kann wirksam verzeihen.
Eine Verzeihung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen, etwa durch Verhalten, das deutlich zeigt, dass die Ehe fortgeführt werden soll. Eine bloße Rückkehr in die Ehewohnung oder der Versuch, den Alltag wieder aufzunehmen, reicht jedoch nicht automatisch aus.
Entscheidend ist, dass das Verhalten des verletzten Ehegatten objektiv erkennen lässt, dass er die Kränkung tatsächlich vergeben hat.
Grenzen der Verzeihung
Relevant ist die Verzeihung ausschließlich bei der Scheidung wegen Verschuldens. Andere Scheidungsgründe, etwa psychische Erkrankungen oder unzumutbare Lebensumstände, bleiben davon unberührt. Krankheiten können rechtlich nicht verziehen werden.
Zudem erlischt die Möglichkeit zur Berufung auf eine Eheverfehlung, sobald diese verziehen wurde. Gleichwohl darf der verzeihende Ehegatte sich weiterhin auf frühere Verfehlungen berufen, wenn sie mit späteren Handlungen in Zusammenhang stehen oder zur Erklärung seines eigenen Verhaltens notwendig sind.
Dr. Mariella Stubhann MPM MBAFinanz & Recht „Vergeben heißt nicht vergessen, sondern den Entschluss zu fassen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und der Ehe eine echte Zukunft zu geben.“
Bedingte Verzeihung
Das Nachsehen einer ehelichen Verfehlung kann an Bedingungen geknüpft sein, etwa an die künftige Verhaltensänderung des Partners; erst dann entfaltet es rechtliche Wirkung.
Beweislast und Verfahren
Im Scheidungsverfahren trägt der Ehepartner, der sich auf die Verzeihung beruft, die Beweislast. Das Gericht prüft, ob die Umstände tatsächlich auf eine Verzeihung schließen lassen. Dabei kommt es nicht auf formale Erklärungen an, sondern auf das objektive Gesamtverhalten der Ehegatten.
Bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils bleibt es möglich, eine Verfehlung zu verzeihen. Das Gericht berücksichtigt diesen Umstand nicht automatisch, kann ihn aber bereits bei geringfügigem Hinweis der Parteien in die Beurteilung einfließen lassen.
Typische Fallbeispiele
Verzeihung bejaht:
– Zurücknahme einer Scheidungsklage oder Ruhenlassen des Verfahrens
– Wiederversöhnung nach einem Ehebruch mit ehrlicher Bereitschaft zur Fortsetzung der Ehe
Verzeihung verneint:
– Bloßes weiteres Zusammenleben ohne Aussprache
– Fortsetzung der Ehebeziehung trotz Verdachts, ohne klare Verzeihungsabsicht
– Geschlechtsverkehr ohne erkennbare Versöhnungsbereitschaft
Folgen wiederholter Verfehlungen
Wird eine ähnliche Eheverfehlung nach einer Verzeihung erneut begangen, wiegt sie deutlich schwerer. Die Verzeihung bezieht sich immer nur auf vergangene Handlungen und kann nicht als Verzicht auf die Geltendmachung künftiger Ansprüche verstanden werden.